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Diedrich Diederichsen: Beseelung, Entdinglichung und die neue Attraktivität des Unbelebten
Beseelung, Entdinglichung und die neue Attraktivität des Unbelebten
(S. 289 – 301)

Diedrich Diederichsen

Beseelung, Entdinglichung und die neue Attraktivität des Unbelebten

PDF, 13 Seiten

In den Spielwarenabteilungen unserer Kaufhäuser zeugen die Gesichter und Eigennamen, mit denen nun auch Spielzeugautos und -eisenbahnen versehen sind, von einem neuen Imperativ zur Beseelung der Dinge. Umgekehrt drückt sich in der Objektophilie ein sexuelles Begehren nach dem Harten und Unbelebten aus. Sind die Dinge einmal aus diesen Subjekt/Objekt-Relationen befreit, werden sie frei für neue Relationen der Identifizierung, für ein Ding-Werden, das De-Animation verspricht. Diese Zeitdiagnose einer neuen Rolle der Dinge bezieht Diederichsen auf Formen des gegenwärtigen Kapitalismus der »immateriellen Arbeit«. Hier entsteht ein Imperativ zur Belebung des Produkts, zur Identifikation mit ihm und zur Subjektivierung am Arbeitsplatz. In Auseinandersetzung mit Lukács, Adorno und Horkheimer sieht Diederichsen Entdinglichung als neues Paradigma des Kapitalismus. War Animation im Erfahrungsmodus des industriellen Regimes sowohl Refugium als auch potenzieller Widerstandspunkt, entsteht im post-industriellen Kapitalismus wieder ein Begehren nach Dinghaftigkeit als möglichem Ort der
Emanzipation.

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Diedrich Diederichsen

Diedrich Diederichsen

war in den 80er Jahren Redakteur und Herausgeber von Musikzeitschriften, in den 90er Hochschullehrer u.a. in Frankfurt, Pasadena, Gießen, Weimar, Wien, St. Louis, Köln, Los Angeles und Gainesville. 1998–2006 Professor für Ästhetische Theorie / Kulturwissenschaften an der Merz-Akademie, Stuttgart, seit 2006 Professor für Theorie, Praxis und Vermittlung von Gegenwartskunst am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der Bildenden Künste, Wien.

Weitere Texte von Diedrich Diederichsen bei DIAPHANES
Irene Albers (Hg.), Anselm Franke (Hg.): Animismus (alte Auflage)

Der »Animismus« ist eine Erfindung der Ethnologie des 19. Jahrhunderts, geprägt auf dem Höhepunkt des europäischen Kolonialismus. Animisten bevölkern die unbelebte Natur mit Seelen und Geistern. Das erklärt man als eine die materielle Realität verkennende »Projektion«, durch die den Dingen und der Natur Leben und Handlungsmacht zugeschrieben wird. Animismus wird so zum Gegenbild moderner Wissenschaft, zum Ausdruck eines »Naturzustands«, in dem Psyche und Natur als ungeschieden gelten. Wenn sich letzthin ein neues Interesse am Animismus herausgebildet hat, liegt das nicht daran, dass der Begriff als wissenschaftliche Kategorie rehabilitiert wurde. Vielmehr ist die kategorische Trennung von subjektiver und objektiver Welt selbst in Bewegung geraten. Der Band versammelt zentrale Texte dieser Debatte, die hier erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden.