Eine kommentierte Geschichte Wakandas
Übersetzt von Damian Christinger
Veröffentlicht am 09.04.2018
Im südlichen Uganda ist eine politische Geschichte aus der Mitte des 18. Jh., in der Prinz Ssemakokiro Wasajja einen Attentatsplan gegen seinen Bruder, den König Jjunju Ssendegeya aufdeckt und die Verschwörer tötet, um seinen Bruder zu retten, weitum bekannt.
Der Topos der Geschichte ist ein umgekehrtes Kain und Abel-Motiv, bei dem die Liebe über die Rivalität siegt, denn Prinz Ssemakokiro ist der wachsame Hüter seines Bruders Jjunju. Den jedoch, wie ein Menetekel dessen, was passiert wäre, wenn Kain Abel hätte leben lassen, lüstet es nach der schwangeren Frau von Ssemakokiro. Diesem ist wohl bewusst, was passiert, wenn es dem König nach der eigenen Frau verlangt, und so flieht er. Im Exil sammelt er eine Armee und erobert den Thron seines Bruders, den er zuvor gegen seinen anderen Bruder verteidigt hatte.
Ssemakokiro, ein Zeitgenosse von Napoleon Bonaparte, regierte in der Folge im Königreich Buganda, nördlich des Viktoriasees, und ging als langjähriger Reformer und Innovator in die Erzählungen der Nachwelt ein. Brachte er doch ins Reich, was in der Neuzeit als autonome staatliche Behörden, Abteilungen oder Ministerien gelten mag – Innovationen, die das Königreich lange Zeit prägten. Seine Geschichte beginnt gut: Der Prinz, der widerwillig – aus dem Motiv, die Ehre seiner Frau zu verteidigen – den Thron besteigt. Dennoch gilt es den Thron für die Nachkommen zu sichern. Jjunjus überlebende Anhänger werden getötet. Am Ostufer des Viktoriasees, im heutigen Westkenia, eine mehrtägige Kanufahrt vom Buganda des 18. Jahrhunderts entfernt, wird heute noch die Geschichte der Vorfahren erzählt, die vor sieben Generationen durch den Sturz des Königs Jjunju fliehen mussten. Sie gingen, um niemals zurückzukehren, um neue Sprachen zu lernen, um neue Menschen zu werden.
Ssemakokiros Nachfolger, König Kamanya, ging noch einen Schritt weiter, als er die Götter selbst konfrontierte. Er ordnete an, dass die Kanus vom See zum Nil gebracht werden, um Expeditionen zu unternehmen und das Reich zu vergrößern. Vergebliche Proteste seiner Untertanen haben den eigensinnigen König nicht beeinflusst. Die Kanus wurden aus dem See geschleppt und zum Nil getragen, ein Akt, der zum Ende der Herrschaft Kamanyas im Jahre 1830 geführt haben soll.
Denn die alte Überlieferung besagt, dass das Herausnehmen der Kanus aus dem See den Gott des Wassers, Mukasa, körperlich auf das Festland schleppe, wofür der Täter bestraft werden muss. Die Tat des Königs konnte also nur von schlechten Ratschlägen herrühren, woraufhin seine Kanzler hingerichtet wurden. Allerdings starb auch der König selbst kurz darauf.
Wie sähe diese Dynastie heute, 2018, in der Welt Trumps aus, hätte sie die dazwischen liegenden zwei Jahrhunderte überdauert? Was wäre mit ihr geschehen, wäre sie intakt geblieben?
Die ersten Ausländer, die in das innere Ost- und Zentralafrika kamen, kurz nach dem Tod Kamanyas, waren arabischen Küstensklavenhändler und europäische Entdecker-Tagebuchschreiber. So verweisen die Querelen vor und nach dem Tod Kamanyas auf jene Zeit, als die Gewehre, Baumwollwaren, Druckmaschinen, Dampflokomotiven und Bibeln die königlichen Trommeln, Kieferknochen und Kampfkanus als Staffage der afrikanischen Erzählungen ersetzten.
Die vorkoloniale afrikanische Geschichte ergeht sich oft in Legenden und Überlieferungen, dem gemeinsamen Genre des Geschichtserzählens auf dem Kontinent, das mit der westlichen akademischen Tradition der Geschichtsschreibung nach der Aufklärung unvereinbar ist. Die erste Welle der europäischen Reisenden, die diese Geschichten hörten und weder ein Interpretationsinstrumentarium noch Zeit und Geduld hatten, um sie zu verstehen, verwarfen sie als leeres Geschwätz.
Diese Tabula Rasa entspricht dem frenetischen Tempo des imperialen Aufbaus und des Zusammenbruchs dieser Imperien in Afrika. Im Rückblick ist es ein Wunder, dass die Afrikaner Zeit für Abschweifungen hatten. Die afrikanische Geschichte ist eine problematische, umkämpfte Narration, bei der viele Seiten ihre eigenen Interpretationen einbringen wollen, wie der amerikanische Film Black Panther zeigt.
Da gibt es die Erben eines kolonialen Gelehrtentums, die die Geschichten immer noch ablehnen, genauso wie die Pan-Afrikanisten, die sie überhöhen. Ein nüchterner Blick ist schwierig, die Tonlage steigert sich schnell ins Schrille.
Das Leben der Afrikaner ist bis heute stark vom Zeitalter seiner Reiche geprägt, ein Zeitpunkt, gut genug, um eine afrikanische Geschichte zu beginnen. Eine andere Möglichkeit ist es, die Binnenwanderung ihrer Völker zu verfolgen, die die Bantu-Sprache von der Bucht von Benin bis zum Kap der Guten Hoffnung verbreitete. Die Geschichte von Black Panther ist die Erfolgsgeschichte einer sich materialisierenden zentralisierten Macht, eine Hoffnung, die es noch zu verwirklichen gilt.
Die Höhepunkte des Zeitalters der afrikanischen Reiche sind bekannt: die Imperien von Songhai, Kanem Bornu, Dahomey, Benin, Zulu, Mali, Kongo. Weniger bekannt sind die linguistischen Entwicklungen, die Körperkulturen, die Dialekte und Akzente, die einen Zulu-Sprecher aus Südafrika von einem Malier, einen Bambara-Sprecher aus Segou von einem Tuareg in Timbuktu unterscheiden.
Es scheint, so wie es Black Panther nachzeichnet, dass Afrika ein riesiges Land ist, in dem der kenianisch-tansanische Maasai-Moran neben dem Lippenteller-tragenden äthiopischen Mursi lebt, der mit einer namibischen Himba-Dame zusammen ist und von Zeit zu Zeit ausgeht mit der Zulu-Freundin, die diese imposanten Isicholo-Krone der Angela Basset trägt. Ein wahrer Kulturtag der Afrikanischen Union in Wakanda.
Ja, die Wakander sprechen Xhosa. Was diesem Film entspricht, in dem sich die Portugiesisch sprechenden Monarchen von Kasachstan in ihre königlichen schottischen Kilts kleiden, um sich um ihre russischen Untertanen zu kümmern, die unglücklich sind, weil die Normannen über ihre Tapiokaplantagen herfallen.
In welcher Form könnte ein solcher afrikanischer Staat in Trumps Zeitalter angekommen sein, wenn er die Verwüstungen der letzten zwei Jahrhunderte überlebt hätte?
Vielleicht war es ja eines der Hauptmotive, nicht über die Realitäten des Regierens nachzudenken, sondern einen befreienden Blick auf afrikanische Geschichte zu werfen.
Der radikale Gestus von Black Panther liegt in seinem dadaistischen Umkippen des Bestehenden, der Symbole und Machtverhältnisse, dem Negieren der jahrhundertealten afrikanischen Scham über die eigenen Körperkulturen und Glaubenssysteme.
Um bis in die Gegenwart hinein überdauert haben zu können, hätte Wakanda viel ertragen müssen. Nach den Hinweisen von J.F. Ade Ajayis und Michael Crowders majestätischem, grundlegendem Geschichtsbuch History of West Africa zu schließen, würde Wakanda irgendwo in der Nähe, aber nicht zu nah an der Küste Westafrikas, irgendwo hoch auf einem Plateau liegen. Seine fernen Wurzeln lägen in Wagadu, auch als das Reich Ghana bezeichnet, und reichten bis tief in den Norden, bis zum Fluss Gambia. Diese Wurzeln lägen im Jahr um 800 n.Chr. Das Reich wäre nach zwei-, dreihundert Jahren zusammengebrochen, und aus seiner Asche wäre ein anderes hervorgetreten, ein noch mächtigeres, das bis ins 14. Jh. andauerte, um dann Platz zu machen für eines das bis ca. 1500 Bestand gehabt hätte. Erst da beginnt die eigentliche Geschichte von Wakanda.
Das Zeitalter der afrikanischen Reiche – als sie von Bedeutung waren und die politischen Grundlagen des Kontinents darstellten – war Mitte des zweiten Jahrtausends n. Chr. fast vorbei. Es gab einige wenige, wenn auch nur nominelle, wie Äthiopien, Sokoto und Benin, die als Inseln in einem kontinentalen Ozean des Wandels und der politischen Turbulenzen herausragten und sich behaupteten, als sich die allgemeine Dynamik zu den beweglichen und zerbrechlichen kleinen Königreiche hin bewegte, die sich nicht durch imperiale Traditionen zurückhalten ließen.
Wie die Völker des Kontinents dieses Kommen und Gehen sahen, ist eine Frage der Spekulation. Aber zwei Dinge sind klar: Viele Gemeinschaften stimmten mit den Füßen ab, da weite Teile der Bevölkerung die Migration wählten, anstatt unter imperialer Tyrannei zu leben; ein Akt der politisch genug ist. So waren zweitens zahlreiche Völker, Nomaden und der Großteil der ostafrikanischen Niloten, den zentralisierten Staaten entkommen und viele dieser Völker leben noch immer ein Leben, das sich misstrauisch gegenüber Autorität zeigt. Sie widersetzten sich der vorkolonialen Tyrannei, hielten dem Kolonialismus stand und waren uninteressiert am postkolonialen Staat. Die echten Wakander gibt es, aber in den abgelegenen Rinderebenen am südlichen Rand der Sahelzone.
Die verschiedenen Reiche und Migrationen hinterließen vielschichtige Identitäten in Afrika, die etwas über die Machtdynamik des Kontinents aussagen. Sie sagen nämlich auch, dass die Fremdherrschaft nicht neu war, als die Europäer kamen. Der Kontinent hatte bereits eine jahrtausendealte Praxis der afrikanischen Besatzung afrikanischer Gesellschaften. Das war selten angenehm, was das Wohlwollen der Könige in Black Panther für die afrikanischen Gemeinschaften als etwas völlig Neues erscheinen lässt. Imperiale, monarchische Herrschaft war normalerweise unnachgiebig, strafend, abweisend und oft taub für die Sorgen der gewöhnlichen Männer und Frauen.
Der Mythos vom weisen afrikanischen König wächst mit der Bedrohung durch die europäische Kolonisation; die Machtverhältnisse gemäß dem Typus der Geschichte von Ssemakokiro, waren eher die Regel. Der Impuls zur absoluten Macht hätte Wakandas Geschichte geprägt:
Die Reichsgründer Uthman Dan Fodio, Rukidi Mpuuga (Bunyoro-Kitara-Imperium), Mirambo (Nyamwezi, Zentral-Tansania, 19. Jahrhundert) und Mansa Musa schufen Provinzen, stellten Gouverneure, Richter etc. ein – die höfischen Behörden, die von Funktionären, Hierarchien und Exekutiven geprägt sind. Es galt Armeen zu unterhalten, Grenzen zu sichern und Steuern einzuziehen. Dies verlangte nach Ordnung.
Der Fall der Imperien hat einen Humus aus mächtigen und schwachen Herzogtümern, Vasallenfürstentümern und Stammesgebieten hinterlassen. Eines von ihnen – wie Mali nach dem Sturz von Ghana-Wagadu – wäre gewachsen, um die Schwächeren zu dominieren. Das Eindringen von Ausländern an den Rändern des Kontinents, die Expansion des Islam im Norden, ankommende europäische Siedler im Süden hätten das Vater-Imperium, unter dessen Herrschaft sich Wakanda wohl befunden hätte, erschüttert, Wakanda hätte riesige Mengen an Vibranium als Tribut entrichten müssen.
Auch in West- und Zentralafrika hätte Wakanda eines der am wenigsten mächtigen Reiche sein müssen, so wie Mali und Ghana-Wagadu vor ihm. Denn wäre es wie Songhai gewesen, wäre es zu groß, zu mächtig geworden und hätte so bis zum Ende des 16. Jahrhunderts zu viel Aufmerksamkeit erregt, wäre bald ausgebrannt.
Der richtige Ausgangspunkt für Wakanda wie für den Großteil der afrikanischen Königreiche, die bis zum Beginn der Kolonisation überlebt haben, wäre die Mitte des zweiten Jahrtausends n. Chr. gewesen. Kleiner, weniger ehrfurchterregend, weniger dramatisch, sicherlich weniger ehrgeizig als die Großelternreiche.
Es hätte irgendwo in der Nähe von Fouta Djallon, dem Hochland von Guinea, liegen müssen, weit genug weg von den marodierenden, muslimischen Armeen des Nordens, tief genug im Landesinneren, um von den Portugiesen in Ruhe gelassen zu werden. Es hätte tief in den Bergen versteckt gelegen sein müssen, zu kalt und sauerstoffarm für die weitreitenden Armeen der Tiefebene, für die Fluss- und Seenreiche und die Nomaden; so wie ja Wakanda in der Tat beschrieben wird.
Dann müsste Wakanda sich um das Geschäft des Regierens und Überlebens kümmern. Eine Dynastie ehemaliger Gouverneure, die von den längst verstorbenen Kaisern ernannt wurden, wären die Könige von Wakanda Fremde für die eigene Bevölkerung. Ihre Legitimität auf wackligem Fundament, auf ihrem eigenen Exotismus beruhend.
Sie hätten sich mit den beiden stoischen Kräften der afrikanischen Gesellschaften, den Clans und den Priestern, arrangieren müssen. Während der Jahrhunderte imperialer, monarchischer, kolonialer und postkolonialer Herrschaft gehörten die Afrikaner dem Clan an und gaben ihre religiösen Überzeugungen nie wirklich auf, auch nicht unter dem gemeinsamen Ansturm von Christentum und Islam.
Die Herrscher von Wakanda hätten den Clan anerkannt, wohl zunächst versucht, seine Macht einzuschränken, fanden es dann aber klüger sich zu arrangieren. Die Dichotomie zwischen dem Clan (Clan als Gemeinschaftsgeist, der die Heiligkeit des Lebens betont und die Gleichheit bekräftigt) und dem übergeordneten Staat (absolute Macht, hohe Steuern, Recht und Hierarchie) schuf die Dynamik, welche die politische Geschichte in Afrika erzeugt. Die Präsenz der Könige reichte nie so tief wie die soziale Realität der Clans. Der König war ein Ausländer, willkommen in den Clans, aber nie wirklich Teil des Clan.
Die Herrscher von Wakanda hätten zudem besonders weise sein müssen, denn das unruhige Verhältnis zwischen Königen und Untertanen spielt den europäischen Kolonialisten und Missionaren in die Hände. Die Untertanen sahen immer die Möglichkeit die fremden (afrikanischen) Dynastien zu stürzen.
Dies wäre Wakandas schwierigster Moment gewesen. Da wir im Film nie gewöhnliche Wakander antreffen, noch je einer Versammlung des Volkes beiwohnen, ist es wahrscheinlich, dass Chadwick Bossmanns T’Challa (der Black Panther) relativ wenig von seinem Volk weiß, geschweige denn, dass ihn es ihn kümmert. Es gibt diesen faszinierenden Moment der Konfrontation zwischen Lupita Nyong’os Nakia und Danai Guriras Okoye, als Killmonger den Thron usurpiert und sich die beiden zwischen König und Thron entscheiden müssen. Der Moment allerdings, als Killmonger den Thron besteigt, wäre gar nie eingetreten. Wie im Äthiopien des Haile Selassie, hätte der Druck des kalten Krieges zur Implosion geführt. Es galt immer das Prinzip der internen Rebellion. Die Obristen (jener gefährliche, Ränke schmiedende militärische Grad im Gegensatz zu den zurücktretenden Generälen des Establishments) unter Okoye würden T’Challa stürzen. Im ganzen Kontinent ist es immer Daniel Kaluuyas W’kabi und nicht Killmonger, dem der Umsturz gelingt. Im wirklichen Leben ist W‘Kabi wahrscheinlich ein marxistischer Internationalist. Nach einigen Jahren und einigen Staatsstreichen kehrt T‘Challa in einem Sarg aus Europa zurück. Eine Generation zu spät, sein Sohn wird als Galionsfigur Black Panther inthronisiert.
Ein afrikanisches Land, das nicht kolonisiert wurde, wäre im 21. Jahrhundert eine sich erholende, ehemalige marxistische Diktatur mit einer schnell wachsende Wirtschaft durch den Verkauf staatlicher Fabriken, ein Nettoexporteur von Migranten, unfähig, Tyrannei, Korruption, wachsender Ungleichheit und ethnischer Minderheitenherrschaft zu entkommen. Seine staatlichen Unternehmen, wie die Fluggesellschaft, das neue Eisenbahnsystem, seine Fabriken, wären wahrscheinlich unter der Kontrolle amerikanischer, europäischer und chinesischer Investoren.
Black Panther ist eine amerikanische, keine afrikanische Geschichte, eine diasporische Erzählung, deren Themen auch die Themen der mobilen, gebildeten Elite des Kontinents sind, deren demütigenden Begegnungen an Flughäfen, in amerikanischen Städten, die Zeit, die sie an westlichen Universitäten verbracht haben. Es ist ein Topos der postkolonialen Theorie, die sich sorgfältig jene Themen auswählt, die einst dazu dienten, Afrika zu verunglimpfen, um sie nun zu feiern. Die Diaspora ist es leid, über die Rolle des Kontinents in der Sklaverei zu diskutieren, weiß wenig über die kulturhistorischen Details Afrikas und zieht schnell in den Krieg gegen die Afrikaner, deren mangelnde Kenntnis der postkolonialen Theorie sie frustriert.
Black Panther ist die Wiederkehr einer Debatte, von der man glaubte, sie hätte sich vor einer Generation erledigt, das nochmalige Formulieren des Anspruchs der Pan-Afrikanisten auf Afrika als eine Nation, dessen sich die Strukturalisten und Prof. Kwame Anthony Appiah (einem Killmonger des Akademischen) mit seinem Buch In My Father’s House bereits endgültig entledigt glaubten. Dem Argument, dem Prof. Appiah eine ganze Karriere widmete, die kulturellen Besonderheiten auf dem Kontinent beschreibend und dem totalitären Motiv, das die Afrikaner als ein Volk begreift, widerstehend, wurde mit dem Film irreversibler Schaden zugefügt.
Einen mittleren Weg zu Afrika durch den afrikanischen Diskurs zu finden war immer schwierig, müsste man doch gleich viel Zeit mit den unangenehmen Wahrheiten der Geschichte des Kontinentes verbringen wie mit den Möglichkeiten der Zukunft. Sich um die Details des anti-kolonialen Kampfes zu kümmern kreiert einen sicheren Raum für die Afrikaner, die zu Hause blieben, die Diaspora und schwarze Wissenschafter. Der Diskurs von Appiah brachte ihn in eine unangenehme Nähe zu V.S. Naipaul, dem Bête Noir des Pan-Afrikanismus, der in den Kolonien als »brauner Mann« beschrieben wurde, selbst aber auf der Seite des Kolonialisten stand bei seinen Schürfungen in Afrika. Er hielt selbst dann noch an seiner verächtlichen Haltung gegenüber Afrikanern fest, als es für weiße Forschende und Reisende schon lange nicht mehr sicher war, sich so zu zeigen.
Die erste Welle der Entdecker-Tagebuchschreiber des 19 Jh. verkraftete den Schock des Aufeinandertreffens mit fremden Völkern nur schlecht. Die Berichte von Joseph Conrad, Henry Morton Stanley, Sir Harry Johnston und Rev. John Roscoe mussten ohne die Hilfe der heutigen Peer-Review basierten Verlegerschaft auskommen. Man nahm sie beim Wort. Die kruden intellektuellen Mechaniken, die sich mit der Zeit in Ethnologie und Soziologie wandelten, richteten ihren Schaden an. Weniger in Erinnerung geblieben sind die Wiedergutmachungen, die die westliche Geisteswissenschaft im ersten Viertel des 20. Jh. leistete, als eine neue Generation von besser ausgebildeten, geduldigeren und weniger säbelrasselnden amerikanischen und europäischen Studenten damit begann besser zu beobachten und so einen tiefen Respekt für die Kulturen entwickelte, unter denen sie lebte.
So betrachtet lebte die Literatur ein paralleles, revanchistisches Leben zur Wissenschaft. Bereits in den 1960er Jahren war V.S. Naipaul ein Anachronismus, der wiedergeborene Geist von Conrad, der die Werke von Gelehrten wie H.J. Driberg, W.E.B. Dubois, Edwin S. Munger und John Hope Franklin ignorierte.
Ein Chinua Achebe oder Kwame Nkrumah ist heute genauso schwer vorstellbar. Afrika ist über seine alten Peiniger hinweg; sie braucht die Verteidiger von vor einem halben Jahrhundert nicht mehr. Black Panthers Themen sind selbst Anachronismen aus einer Welt vor der letzten Ära –doppelte Anachronismen.
Die Ächtung der afrikanischen Kulturen und ihrer Produktionen in den Jahren hin zu den 1920ern – im zwanghaften Bemühen die kolonialen Erträge zu steigern, durch die Ausbeutung der Mineralienbestände, flächendeckende Steuern, Zwangsarbeit und die Zerstörung der afrikanischen Materialwirtschaft, die mit den europäischen Importen konkurierte – hat tiefe Spuren in der Selbstachtung Afrikas hinterlassen. So waren es die Machenschaften der Kolonisatoren, die die heftige Gegenreaktion hervorriefen. Die Erniedrigungen, Urbanisationen und Christianisierung schufen jene abgekämpften Gesichter, die V.S. Naipaul entgegentreten. Es war jener Kampf, der die African Writer Series, den kongolesischen Rumba, die afrikanische Kinobewegung und jene sartoriale Dapper-Mode schuf, die von den Fans von Black Panther gefeiert werden.
Es war ein Krieg, der schon weitgehend gewonnen war und jetzt seltsam wiederbelebt wird. Das Ende der Apartheid bedeutete einen Waffenstillstand im Kulturkrieg. In den letzten 25 Jahren war es für einen V.S. Naipaul schwieriger, über den Kontinent zu stolzieren und an den Verleger André Deutsch Äußerungen wie »Afrika hat nichts« oder »sie sind Buschmenschen« zu schicken. Es ist noch schwerer sich einen H.M. Stanley oder Sir Harry Johnson vorzustellen, der zu Fuß von Matadi nach Mombasa geht. Das Ausmaß an Fakten, die missverstanden, falsch interpretiert und gelesen wurden, ist so groß, dass es selbst für harsche Kritiker eher peinlich als skandalös ist. Die Körperkulturen und Nuancen, die sie verunglimpften, wurden von einem dekolonisierten Kontinent gefeiert. Die Rhetorik und Figuren wie Naipaul, Harry Johnson und H.M. Stanley zu bekämpfen, heißt ein altes Spiel zu spielen.
Diese Wiederauferstehung der postkolonialen Figuren und Rhetoriken ist ein Beweis für den großen Rückschritt in der Welt. In einer anderen Epoche hätte die Mischmasch-Repräsentation von Afrika in Black Panther im Mittelpunkt der Kritik gestanden. Aber dies ist keine Zeit für Fakten. Die Missrepräsentationen sind der rote Faden, der den Film zusammenhält.
Der Name des Landes, »Wakanda«, ist eine irreführende Konstruktion, die sowohl das Land als auch die sprachliche Konstruktion negiert. In der Bantu-Phonetik ist das »Wa«, wie das »Ba« ein Präfix, entweder ein besitzergreifender oder ein bestimmter Artikel, wie das englische »the«, der ein Volk und kein Land bezeichnet. Daher wäre das Land selbst im ostafrikanischen Duktus entweder U-Kanda oder Bu-Kanda benannt gewesen. Es sind die Menschen, die man Wakanda genannt hätte; Bakanda wäre die Alternative gewesen. Das »Wa« erscheint in Sprachgruppen, die sich näher an der ostafrikanischen Küste befinden, das »Ba« bewegt sich nach Westen gegen die Atlantikküste. Es ist also ein seltsamer Widerspruch in sich, dass ein Volk namens »Wa-Kanda« eine Sprache spricht, die wie Xhosa klingt, die 3.000 Kilometer weiter südlich beheimatet ist. »T‘Challa« klingt nach einem westafrikanischen (wahrscheinlich malischen) und nicht nach einem südafrikanischen Namen. Wenn Xhosa die Sprache ihrer Kultur wäre, dann hätte der Name ihres Landes mit Mp-, Nd-, oder einem X oder I begonnen.