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Sturm auf den Winterpalast: Geschichte als Theater

23.09.2017 - 25.10.2017
Gessnerallee Zürich, Gessnerallee 8, 8001 Zürich

2017 jährt sich die Oktoberrevolution zum 100. Mal. Aus diesem Anlass widmet sich die von Sylvia Sasse und Inke Arns kuratierte Ausstellung »Sturm auf den Winterpalast: Geschichte als Theater« jener Fotografie, die wie keine andere zum Symbolbild dieser Revolution geworden ist: dem Sturm auf den Winterpalast. Allerdings stammt das Foto nicht vom historischen Ereignis selbst, sondern von einem theatralen Reenactment, das 1920 vom Theaterregisseur Nikolai Evreinov nachgestellt worden ist. Aus der Fotografie eines Theaterereignisses wurde ein ›historisches Dokument‹.

 

Die Ausstellung präsentiert Filmaufnahmen und Fotografien des Reenactments von 1920 sowie die Dokumentwerdung des Fotos in der sowjetischen Geschichtsschreibung, in Bildbänden, Schulbüchern und auf Plakaten. Zudem werden Arbeiten zeitgenössischer Künstler_innen gezeigt, die das Reenactment kommentieren.

 

Vorlesung jeden Donnerstag 16.00 bis 18.00 | »Reenact Revolution? Über Wiederholung im Theater, im Film und in der Politik« von Sylvia Sasse

 

Revolution Talks (Beginn jeweils um 20Uhr)

26 September | Waldemar Fydrych (Orange Alternative)

10 Oktober | Oxana Timofeeva (Chto delat’)

24 Oktober | Milo Rau

 

 

www.gessnerallee.ch

Nikolai Evreinov

(1879–1953), Theatertheoretiker, Regisseur und Dramatiker, der mit seinen Theorien zur »natürlichen« Theatralität des Menschen, zum »Theater als solchen« und zum »Theater für sich« bekannt wurde. Seine Theaterstücke, u.a. Monodramen und Stücke, die seine Idee der Theatertherapie aufführten, waren ästhetisch eher konventionell. Mit Wiederholung bzw. Reenactment beschäftigte sich Evreinov bereits in dem von ihm mitbegründeten Starinnyj Theater (Altertümliches Theater), wo er historische Aufführungen rekonstruierte und reinszenierte. Auch nach seiner Emigration nach Paris (1924) verfolgte er die Theatralisierung der Sowjetunion und schrieb u.a. ein Stück über die Schauprozesse, Die Schritte der Nemesis (Šagi nemezidy), das diese als Theater reinszeniert. Beim Sturm auf den Winterpalast war Evreinov Chefregisseur, er wurde dafür von der Militärverwaltung »abkommandiert«.
Inke Arns (Hg.), Igor Chubarov (Hg.), ...: Nikolaj Evreinov: »Sturm auf den Winterpalast«

1920, zum dritten Jahrestag der Oktoberrevolution, wurde in Petrograd der »Sturm auf den Winterpalast« mit 10.000 Mitwirkenden aufgeführt. Das Massenspektakel unter der Leitung von Nikolaj Evreinov war eine Art falsches, trügerisches Reenactment. Es sollte an etwas erinnern, den Sturm auf den Winterpalast als Beginn der Revolution, das es selbst theatral und medial erst produzierte. Der Band rekonstruiert das Theaterereignis mit Texten, Fotografien und Zeichnungen und zeigt, wie nicht nur in der Sowjetunion aus dem Foto vom theatralen »Sturm« ein historisches Dokument der Oktober­revolution geworden ist.